Vor dem Hintergrund einer wirtschaftlich soliden Basis hat die HVG-Gruppe ihre Neuausrichtung fortgesetzt. Dem im Vorjahr entwickelten Leitbild folgte 2024 der Aufbau einer umfassenden Strategie. In nahezu allen Bereichen wurden entsprechend gezielte Veränderungen in Angriff genommen. Markus Monßen-Wackerbeck zu den bisherigen Fortschritten, gegenläufigen Ereignissen und warum nicht alles Gute nur von oben kommt.
„Wir sind auf einem guten Weg“

Herr Monßen-Wackerbeck, Sie blicken nun auf Ihr zweites vollständiges Geschäftsjahr bei der HVG zurück. Es dürfte sich eine gewisse Routine bei Ihnen eingestellt haben. Was hat Sie 2024 dennoch überrascht?
Dass wir so gut durch das Jahr gekommen sind, trotz Konjunkturflaute und Kostensteigerungen. Wir haben uns eine gewisse Resilienz erarbeitet, sind schuldenfrei geblieben. Der wesentliche Grund: Unsere Leistungen wurden wieder stärker nachgefragt. Beispielsweise haben die Hagenerinnen und Hagener
unsere Busse ausgiebig genutzt. Hier zahlten sich die Verbesserungen bei den Verbindungen und den Takten aus. Auch Hagenbad verzeichnete mehr Badegäste. Da spielte natürlich auch das gute Wetter im Sommer mit. Aber wir haben ebenfalls im Service und im Angebot einiges optimiert. Insgesamt haben sich die Kennzahlen der Gesellschaften in der HVG-Gruppe seit Ende der Coronapandemie stetig verbessert.
Die Mitarbeitenden haben in diesem Jahr damit begonnen, die aus dem neuen Leitbild abgeleitete Strategie in Projekten umzusetzen. Wie zufrieden sind Sie mit den bisherigen Fortschritten?
Einige Projekte laufen super, bei anderen würde ich mir mehr Schnelligkeit wünschen. Das ist aber in einem solch umfangreichen Prozess normal. Etwas umzusetzen, ist nun einmal herausfordernder, als einen Plan zu entwickeln. Und in der Praxis stellen sich unerwartete Hindernisse ein. Damit muss man leben. Wichtig ist: den Weg zum Ziel entsprechend anzupassen, umsetzungsorientiert zu diskutieren.
Welche Projekte betrifft das?
Mit der Nutzung von Solarenergie auf den Dächern unserer Gebäude zum Beispiel sind wir im Berichtsjahr sehr weit gekommen. Das Projekt wäre sogar bereits abgeschlossen, das Ziel erreicht worden, wenn nicht bei der Photovoltaikanlage des Westfalenbads unvorhergesehen ein wichtiges technisches
Detail fehlen würde. Damit dauert das Projekt doch länger als geplant. Wir prüfen derzeit noch eine Freifläche vor dem Westfalenbad und stehen auch mit der Stadt Hagen im Austausch in Bezug auf Dachpachten. Alle anderen Möglichkeiten sind ausgereizt. Sogar der Tank auf dem Betriebshof der Hagener Straßenbahn hat eine Solaranlage.
Und wo geht es sonst noch nicht so schnell voran?
In der IT haben wir uns eine Menge vorgenommen, um die HVG-Gruppe auf einen moderneren Stand zu bringen. Da haben wir durchaus einiges geschafft. Aber wir haben auch gelernt, dass eine mögliche technische Verbesserung nicht unbedingt eine Verbesserung des Arbeitsprozesses und der Produktivität bedeutet. Tablets für unsere Busfahrerinnen und Busfahrer hören sich schick an. Doch ihre Integration in den Betrieb ist eine andere Sache, das
Konzept überarbeiten wir deshalb. Ein weiterer Hemmschuh: der Fachkräftemangel. Für die anspruchsvollen Veränderungen in der IT benötigt man natürlich die richtigen Experten. Das erfordert einen besonderen Aufwand, diese zu finden und an das Unternehmen zu binden. Genauso ist es aufwendig, aus den Ergebnissen der Mitarbeitendenbefragung die Konsequenzen zu ziehen. Dafür braucht es Zeit, auch um die Vorschläge für Verbesserungen zu prüfen und dann die geeigneten umzusetzen.
Ein großes Stichwort war bei der HVG-Gruppe 2024 die Digitalisierung, und sie wird es weiter sein. Welche Vorteile ergeben sich, wo sehen Sie Grenzen?
Das ist ja ein sehr weiter Begriff, reicht vom einfachen Einsatz von Rechnern bis zur Anwendung künstlicher Intelligenz. Beispielsweise haben wir den Rechnungseingang seit einigen Jahren digitalisiert, denkbar ist aber auch hier eine weitergehende Automatisierung. Oder ob die Synchronisation der verschiedenen Dienstpläne im Fahrdienst der Hagener Straßenbahn durch KI unterstützt werden kann. Andererseits findet KI beim Hagener Entsorgungsbetrieb schon Anwendung: Dort erkennt eine mit künstlicher Intelligenz gekoppelte Kamera am Müllsammelfahrzeug illegalen Abfall auf den Straßen. Der wird dann sofort entsorgt und damit Hagen sauberer. Ein ganz unmittelbarer Vorteil von Digitalisierung. Der HEB ist damit bei uns in der Hinsicht Vorreiter. Hagenbad wird mit der KI-Unterstützung der Beckenaufsicht nachziehen. Wir sind in allen Gesellschaften an vielen Stellen dabei zu prüfen, wo die Digitalisierung von Arbeitsschritten tatsächlich die Produktivität verbessert. Darum geht es, Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Und ganz wichtig: Beim Hinterfragen der bisherigen Prozesse sind alle Mitarbeitenden gefordert. Das kann nicht von der Führungsebene allein kommen. Stattdessen müssen das diejenigen beurteilen und maßgeblich mit anstoßen, die täglich bei ihrer Arbeit merken, was hilft und was nicht. Alles Gute kommt eben nicht immer von oben …
Ein weiterer gewichtiger Begriff: Nachhaltigkeit. Er ist in der öffentlichen Diskussion etwas ins Hintertreffen geraten. Wirtschaft und Sicherheit stehen eher im Vordergrund. Wie wirkt sich das auf die Anstrengungen der HVG-Gruppe im Hinblick auf Nachhalt
Das ändert nichts an unserem Ziel, in der HVG-Gruppe bis 2030 unseren Ausstoß an Treibhausgasen um mindestens 30 Prozent zu verringern. Und wir werden die Schritte dorthin dokumentieren. Wenn die dokumentarischen Anforderungen hierfür gelockert werden, ist das sicher hilfreich. Denn etwa 700 Indikatoren auflisten zu müssen, erzeugt unnötigen bürokratischen Aufwand und führt nicht zu mehr Nachhaltigkeit. Das Dreieck Ökologie, Wirtschaft und Soziales gilt es weiter zu berücksichtigen und in Balance zu halten.
Ein wichtiger Baustein für mehr Nachhaltigkeit bei der HVG-Gruppe bildet die weitere Elektrifizierung des Nahverkehrs in Hagen. Nun ist 2024 eine erwartete öffentliche Förderung ausgeblieben. Wie sollen trotzdem die Ziele hier erreicht werden?
Indem wir mit den in diesem Zusammenhang dennoch guten Nachrichten arbeiten: Die Ladeinfrastruktur für die bei der Hagener Straßenbahn eingesetzten Elektrobusse und demnächst neue wird ausgebaut. Die HST hat hierfür den bislang höchsten Förderbetrag von 12,9 Millionen Euro erhalten. Außerdem schaffen wir weitere Elektrobusse an, allerdings weniger als ursprünglich geplant und etwas später. Da setzen wir auf sinkende Preise im wachsenden Markt der Elektrobusse. Parallel stellen wir einige Busse auf den Kraftstoff „HVO 100“ um. Der sogenannte Ökodiesel verbrennt sehr emissionsarm. Mit diesen Maßnahmen erfüllen wir auch die Anforderungen der Clean Vehicle Directive der Europäischen Union. Wieder öffentliche Förderung in der Zukunft würde uns sicher noch mehr ermöglichen. Man darf jedoch nicht außer Acht lassen: Ein Förderbescheid braucht bis zu anderthalb Jahre. Aber wir müssen jetzt planen und handeln.
Bei allen Projekten, Veränderungen, ungeplanten Ereignissen und natürlich den vielen Leistungen der HVG-Gruppe für ein funktionierendes Stadtleben: Wie bewerten Sie die Geschäftsbilanz 2024?
Wie ich zu Beginn schon angemerkt habe: Wir haben uns gut geschlagen. Neben Hagener Straßenbahn und Hagenbad haben auch die anderen Gesellschaften gute Ergebnisse erzielt. Der BSH (Betrieb für Sozialeinrichtungen Hagen) hat sich verbessert, auch der Werkhof hat dem Ausfall von Aufträgen des Jobcenters entgegengesteuert. Die Stadthalle verzeichnet ein Rekordjahr und ist mit dem neuen Parkett im grünen Saal noch attraktiver geworden für ertragreiche Firmenveranstaltungen. Der HEB schließt solide ab, und der neue Geschäftsführer Sven Lindemann geht mutig die Herausforderungen an. Wir sind in der HVG-Gruppe auf gutem Weg. Wir werden weiter an unseren Zielen festhalten, die Wege dorthin anpassen, wo nötig. Auch die nötige Geduld haben, was besonders für mich gilt, wenn es nicht schneller gehen kann. Und noch mehr in der Belegschaft über die anstehenden Schritte diskutieren und Feedback aufnehmen. Hilfreich ist natürlich dabei, dass unser Aufsichtsrat und weitere Anspruchsgruppen voll hinter unserer Strategie stehen. Anstrengen müssen wir uns aber weiterhin.
Weitere Themen aus dem Jahresbericht 2024

Der Jahresbericht 2024 als Download
Den kompletten Jahresbericht 2024 der HVG-Gruppe gibt es hier als Download. Darüber hinaus finden Sie hier ein Archiv der vergangenen Jahr.

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